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Was wird aus der Kirche?

Neue Perspektiven durch das Projekt „EKHN 2030“

Gemeindebrief 2022-2, Seite 4, Autor: Pfr. Dr. Gerhard Schnitzspahn

Seit 2006 bin ich Pfarrer der Johannesgemeinde. Eine der weniger erfreulichen Tätigkeiten in meinem Beruf ist es, wenn ich die Austrittserklärungen einiger unserer Gemeindeglieder unterschreiben muss. Da hat man eben noch einen großen Taufgottesdienst organisiert und wenige Tage später treten die Eltern der getauften Kinder aus. Oder die Konfirmandin, die vor wenigen Jahren im Segnungsgottesdienst noch begeistert ihr Bekenntnis abgelegt hat, sieht die Abzüge auf ihren ersten Gehaltsabrechnungen und tritt daraufhin aus der Kirche aus.

Es gelingt der Kirche nicht, die jungen Menschen anzusprechen und die Mitgliederzahlen stabil zu halten. Missbrauchsskandale, die gesellschaftlich angesagten Sparzwänge durch den Krieg in der Ukraine und die Coronakrise sowie konservative Einstellungen zur Frauenbeteiligung in unserer Schwesterkirche tun ihr Übriges.

All das führt dazu, dass die Kirche immer kleiner wird. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland umfasst die Mitgliederzahl der beiden großen Kirchen zusammengenommen weniger als die Hälfte der deutschen Bevölkerung.

Auf diese schon länger absehbaren Entwicklungen hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit dem Projekt „EKHN 2030“ reagiert. Bis 2030 soll der Haushalt der EKHN konsolidiert sein. Es gilt angesichts künftig deutlich geringerer Kirchensteuereinnahmen Möglichkeiten zu finden, die Haushaltsausgaben bis zu diesem Zeitpunkt um 140 Millionen Euro strukturell zu reduzieren. Die größten Posten, die einen Haushalt belasten, sind die Personalund die Gebäudekosten.

Einerseits werden zwar, wenn meine Generation der sogenannten „Babyboomer“ in den Ruhestand geht, in einem kurzen Zeitraum 25 Prozent der Pfarrer*innen ihr Amt verlassen. Deren Altersvorsorge geht jedoch zu Lasten der EKHN. Das lenkt den Blick auf Kirchen und Gemeindehäuser. Es ist davon auszugehen, dass die Kirche dem Pfarrer*innen-Mangel nicht sofort abhelfen können wird. Dann werden Gebäude und Gemeinden vakant bleiben. Da  her stellt sich die Frage, welche Ressourcen konzentriert werden können.

Eine wesentliche Rolle in diesem Prozess soll daher die Zusammenarbeit von Kirchengemeinden in Nachbarschaftsräumen mit multiprofessionellen Teams aus Pfarrer*innen, Gemeindepädagog*innen und/oder Kirchenmusiker*innen sowie gemeinsamer Gebäudenutzung spielen. Und das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass Gebäude – und ja: auch Kirchengebäude! – aufgegeben oder sogar verkauft werden müssen.

Bis zum Ende des Jahres 2023 sollen in Darmstadt konkret neue Nachbarschaftsräume entstehen. Deshalb sind wir als Johannesgemeinde mit unseren Nachbargemeinden in Gespräche eingestiegen, um zu ermitteln, wie unser Nachbarschaftsraum aussehen kann. Zurzeit prüfen wir mit der Christophorus-Gemeinde (ehemals Südost), der Martin-Luther-Gemeinde, der Thomasgemeinde, der Philippus-Kirchengemeinde, der Michaelsgemeinde, der Paul Gerhardt-Gemeinde und der Friedensgemeinde unsere möglichen Optionen. Über die weiteren Entwicklungen werden wir Sie auf dem Laufenden halten. DGS

Weiter Informationen finden Sie auf der EKHN-Webseite: https://unsere.ekhn.de/themen/ ekhn2030.html


Was wird aus der Kirche? (Teil 2)


Gemeindebrief 2022-3, Seite 4, Autor: Pfd. Dr. Gerhard Schnitzspahn

Im letzten Gemeindebrief haben wir zum ersten Mal vom Projekt EKHN 2030 berichtet. Es handelt sich dabei um eine äußerst umfassende Einsparmaßnahme der Landeskirche, die bis zum Jahr 2030 erreicht werden und die idealerweise weiter in die Zukunft weisen soll. Ich erinnere noch einmal an die Fakten: Es sollen 140 Millionen Euro weniger Ausgaben etabliert werden, die Pfarrstellen sollen um 25 Prozent, Kirchengebäude sollen um 10 Prozent reduziert werden und die Versammlungsflächen aller Gemeinden – das ist das Fachwort für Gemeindehäuser – um 44 Prozent. Es ist zweifelsohne ein Schrumpfungsprozess, der der abnehmenden Kirchenmitgliederzahl in unserem Land Rechnung trägt.

Dieser Prozess wird unser Dekanat nochmals deutlich verändern. Erst im letzten Jahr sind die 18 Gemeinden des Dekanats Darmstadt Land und die 20 Gemeinden des Dekanats Darmstadt Stadt zum neuen „Dekanat Darmstadt – Gemeinsam Kirche in Stadt und Land“ fusioniert. Aus diesen 38 Gemeinden werden nun neue, sogenannte „Nachbarschaftsräume“ gebildet. Ziel dabei ist es, dass ein Nachbarschaftraum wenigstens 6000 Gemeindeglieder zählen soll. Wie im letzten Gemeindebrief berichtet, haben wir als Johannesgemeinde bereits Gespräche mit sieben Gemeinden im Norden Darmstadts aufgenommen, zu denen in der Vergangenheit schon Beziehungen und Kooperationen bestanden haben. Die Kirchensynode der Landeskirche und deren Gesetze haben uns dazu beauftragt, Kirche und Gemeinde neu zu denken.

In diesem Gemeindebrief haben wir bereits Termine aus der Friedens- und der Paul Gerhardt-Gemeinde mit aufgenommen. Hinzugekommen in diesen Kreis sind nun auch noch die beiden Griesheimer Gemeinden (Melanchthonund Luthergemeinde), da für sie ein Anschluss an die Gemeinden im Darmstädter Westen durchaus sinnvoll sein kann. In den neu gefundenen Nachbarschafträumen sollen dann „Multiprofessionelle Teams“ von Pfarrer*innen, Kirchenmusiker*innnen und Gemeindepädagog*innen und andere Mitarbeiter*innen gabenorientiert eingesetzt werden. Der Blick richtet sich nicht mehr nur auf den eigenen Kirchturm, sondern auf die Region. Die Gespräche in den Gemeinden sollen zu einem Regionalplan führen, der dann vom Dekanatssynodalvorstand (DSV) unserer Dekanatssynode zum Beschluss vorgelegt werden soll. Das Ganze soll bis Ende des nächsten Jahres entschieden sein. Es ist ein spannender und komplizierter Prozess, der nicht leicht zu steuern ist. Aber er bietet auch Chancen, wie die Kirche wieder attraktiv und einladend werden könnte.

Die Präses unseres Dekanats, Dr. Annette Laakmann, hat es beim Gottesdienst zum Reformationstag so ausgedrückt: „Für in vielen Aspekten durch veränderte Lebensverhältnisse veränderte Menschen benötigt man eben auch eine veränderte Kirche.“ Damit trifft sie das, was unser Reformator Martin Luther uns ins Stammbuch geschrieben hat: ecclesia semper reformanda est – Die Kirche muss sich immer wieder erneuern lassen. So gesehen kann der Prozess EKHN 2030 durchaus auch als eine Reformbewegung gesehen werden, die vieles ändern, manches aber auch besser machen kann. Wir halten Sie auf dem Laufenden! DGS 


Quo vadis Johannesgemeinde?

Ein Bericht vom Klausurtag des Kirchenvorstands am 22.10.2022

Gemeindebrief 2022-3, Seite 6, Autor: Pfr. Dr. Gerhard Schnitzspahn

„Quo vadis Johannesgemeinde?“ – zu diesem Thema haben wir uns als Kirchenvorstand (KV) der Johannesgemeinde am Samstag, den 22. Oktober 2022, zu einem Klausurtag zusammengefunden. „Wohin wird und soll es gehen mit unserer Gemeinde?“ war die Fragestellung, die den gesamten Kirchenvorstand bewegt, Neue und Altgediente gleichermaßen. An einem goldenen Oktobertag haben wir uns darüber ausgetauscht und mit einem „Karthäuser-Spaziergang“ im nahegelegenen Prinz-GeorgsGarten begonnen.

Unter der Anleitung von Esther-Maria Bodemann haben sich jeweils zwei Personen für einen bestimmten Zeitraum über verschiedene Fragen der Gemeindeleitung ausgetauscht: „Was sind die Stärken unserer Gemeinde?“, „Welche Veranstaltung ist aus deiner Sicht nächstes Jahr unbedingt anzubieten?“ oder „Was wünschst du dir für unsere KV-Sitzungen?“ Beim Ton einer kleinen Glocke wechselte die Besetzung des Gesprächspaares und auch die Fragestellung.

Im Plenum im „Café Wittenberghaus“ haben wir dann die verschiedenen Aussagen und Anliegen gebündelt und ausgewertet. Ideen und Wünsche hatten wir viele. Die Bandbreite ging von alternativen Gottesdiensten und Lobpreisabenden über Glaubenskurse und Gemeindefeste bis hin zur stärkeren Einbindung der Gemeinde und ihrer Gruppen ins Johannesviertel hinein. Für die nächsten Sitzungen ist geplant, „Nägel mit Köpfen“ machen und zu schauen, was möglich ist.

Nach einer kurzen Mittagspause haben wir uns intensiv mit dem Thema „Gottesdienst“ beschäftigt und dazu einen Referenten aus dem Zentrum Verkündigung eingeladen. Der Gemeinde- und Theaterpädagoge Uwe Hausy hat mit uns auf Basis ganz praktischer Übungen in der Kirche gearbeitet und konnte uns so manchen guten Tipp geben. Für viele von uns ist Die Mitglieder des KV bei strahlendem Oktoberwetter im Prinz-Georgs-Garten der Gottesdienst das Zentrum des Gemeindelebens. Gerade mit Blick auf die auf uns zukommenden Veränderungen durch den Prozess EKHN 2030 war uns eine Vergewisserung unserer Haltung und Position an diesem Punkt sehr wichtig. Wir wollen die Qualität unserer Gottesdienste hochhalten und auch immer wieder überprüfen, wie wir auf gute Weise möglichst viele mit unseren geistlichen Angeboten erreichen können. Der Austausch über die angemessenen Formen und Formate wird uns daher weiterhin begleiten.

Für das leibliche Wohl sorgten freundliche Köchinnen aus der Gemeinde mit einer köstlichen Kürbissuppe
und herrlichen Kuchen. Nochmals vielen Dank für diese kulinarische Rahmung! DGS